November '12


 15.11.

Eindrücke über Eindrücke..


Meine lieben Obrunis,

mal wieder einige Erfahrungen reicher melde ich mich bei euch, um meine Eindrücke so gut es nur geht mit euch zu teilen.

Ich weiß nicht inwiefern ihr davon gehört habt: Im August diesen Jahres ist Ghanas Präsident John Atta Mills verstorben. Die Folge: ganz Ghana trauert und ist nun unterteilt in zwei Parteien, NPP und NDC, die einen neuen Präsidenten stellen (es gibt zwar mehrere Parteien,  aber die finden wenige bis gar keine Anhänger). Momentan geht es hier bei einigen Gesprächen in ganz Ghana während der Taxifahrten, in Schulräumen, auf dem Markt oder wo auch immer drunter und drüber. Der Grund dafür, ganz simpel und eventuell für uns Deutsche sehr verwirrend: Politik. Ja, so gut wie jeder Einheimischer, mit dem man ins Gespräch kommt, hat eine politische Meinung und vertritt seine Partei, wenn es sein muss mit seinem ganzen Herzen, so habe ich zumindest das Gefühl. Sobald das Thema Politik aufkommt, werden diejenigen, die sich politisch gegenüberstehen dermaßen aggressiv und laut, dass man Angst bekommt, sie würden sich im nächsten Moment die Köpfe einschlagen. Aber nein, nichts dergleichen. Die Ghanaer sind sehr temperamentvoll, doch handgreiflich werden sie nicht. Letzte Woche saß ich beispielsweise in einem Taxi (auf dem Rücksitz in der Mitte, also umzingelt von Einheimischen) auf dem Weg zur Schule (Sassi musste sich leider zu Hause ausruhen, da sie Malaria bekommen hatte. Ich habe das Gefühl, mein Körper hat sich in den ersten drei Jahren an jegliche Umstände hier gewöhnt, denn irgendwie bin ich eine der ganz wenigen, die sich noch keine Krankheit zugezogen hat, hoffe ich mal, das bleibt auch so :-) ). Müde ging ich aus dem Haus raus, völlig wach kam ich in die Schule. Der Grund dafür war das unbeschreiblich laute Streitgespräch zwischen NPP- und NDC-Anhängern. Zum Glück wusste ich bereits, dass der Streit bei den fechtenden Worten bleibt, ansonsten hätte ich wohl Angst um mein Leben gehabt. Es ist immer wieder interessant, die Ghanaer dabei zu beobachten, wie sie ihre Partei vertreten. Schön zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich dermaßen für Politik interessieren! Am 7. Dezember sind die Wahlen, es bleibt also noch eine Weile spannend!

Was in diesem Land auch immer wieder für Aufruhr und laute Stimmen sorgt: Fußball. Ich habe das Gefühl, die Menschen hier sind verrückt nach Fußball, ja noch schlimmer als jeder Bundesliga-Fan in Deutschland. Immer sieht man irgendwo eine Gruppe von Menschen Fußball spielen. Allerdings interessieren sich die Einheimischen weniger für ihre Bundesliga im eigenen Land (ich habe bis jetzt noch Keinen getroffen, der einen bestimmten Verein in Ghana unterstützt). Viel lauter wird es bei Spielen, in denen ausländische Vereine (vor allem Chelsea,  Manchester, Barca, Madrid,..) gegeneinander antreten. Wir haben uns beispielsweise das Champions League-Spiel BVB gegen Madrid in einem Spot in der Nähe angeschaut, bei dem es ebenfalls nicht ruhig blieb. Doch an dem Abend haben tatsächlich beide deutsche Vereine (Schalke hat ebenfalls gespielt) gewonnen. Da wurden die Einheimischen um uns herum schon etwas leiser :-)

Noch eine herausstechende Eigenschaft der Ghanaer: stets anteilnehmend und mitfühlsam sein. Die Menschen trauern um ihren Präsidenten, als hätten sie ihn jeder einzeln persönlich gekannt. Momentan wird ebenfalls um Menschen getrauert, die bei einem schrecklichen Unglück ums Leben gekommen sind. Letzte Woche ist nämlich ein Einkaufszentrum nähe Accra (der Hauptstadt) eingestürzt und einige Menschen haben dabei ihr Leben verloren, während Andere noch gerettet werden konnten. Momentan das Gesprächsthema Nummer 1, das sogar das Thema Politik etwas in den Hintergrund rückt. Wenn beispielsweise die Lehrer in der Schule über das Thema reden, habe ich immer das Gefühl, sie irgendwie trösten zu müssen, so sehr trauern sie um die Menschen, die sie niemals gesehen und mit denen sie niemals geredet haben. Oder sobald ich auch nur die kleinste Macke habe, fragen alle, was passiert sei und beenden das kurze Gespräch mit den Worten „Oh, I´m sorry“. Unglaublich mitfühlsam, die Menschen hier sind einfach nur toll, man kann es nicht anders sagen.

Eine weitere Eigenschaft, die ich bereits das ein oder andere Mal erwähnt habe und die die Menschen hier zu etwas ganz besonderem macht: Hilfsbereitschaft.  Letzte Woche sind Marcel und ich nach einem Groß-Einkauf in der Stadt nach Hause gegangen und wurden von einem sehr starken Regenschauer überrascht. Ein Mann, der uns mit Regenschirm entgegen kam, ist schließlich mit uns den ganzen Weg zurück zu unserem Haus gelaufen, damit wir unter dem Regenschirm nicht all zu nass werden. Glück für uns, der Mann ist dann allerdings einen weiten Weg in die völlig falsche Richtung gelaufen und trotzdem hatten wir das Gefühl, er hat es gern getan. Wenn man in der Stadt mal nach dem Weg fragt, so kriegt man keine Beschreibung als Antwort, sondern die Ghanaer machen sich sofort auf den Weg, um einen persönlich den Weg zu zeigen. Einfach nur wundervoll, diese Menschen! :-) Ich fange an, diese Kultur immer mehr und mehr in mein Herz zu schließen.  Auch immer wieder schön: Wenn man an Ghanaern vorbei läuft, die gerade dabei sind zu essen, kommt immer der Spruch „You are invited“. Wie kann man nur so unglaublich nett sein?! :-)

Im Projekt läuft es momentan auch super. Der Sportunterricht läuft immer besser, vor allem nachdem wir den Kindern gesagt haben, dass sie, wenn sie gut mitmachen, am Ende des Terms ein „Certificate“ mit einem Foto von ihnen bekommen. Auf Fotos sind die Kleinen besonders scharf, sobald ich meine Kamera raus hole, kann ich mich kaum vor den Kindern retten. Allerdings bin ich nach der Woche auch immer gut fertig, 14 Klassen zu unterrichten ist echt anstrengend! Trotzdem schaffen es die Kleinen immer wieder, mich in Bewegung zu setzen und mich mit ihnen auf dem Sportfeld auszutoben. Letzte Woche hab ich den Kindern aus „meiner“ Klasse meine Handynummer gegeben und bekomme tatsächlich des Öfteren Anrufe von den Kindern, die sich das Handy ihrer Mutter ausleihen um eben bei mir anzurufen (da die Kleinen ja noch nicht viel und gutes Englisch sprechen ist das Telefonat oft sehr kurz, aber trotzdem finde ich es immer sehr süß, eine Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören, die ganz schüchtern nach mir fragt: „Madame Alina?“ ). Wir haben immer mehr Spaß zusammen und freuen uns jeden Tag, uns wiederzusehen. Jaja, die Kleinen, die sind schon echt toll! :-)


Vor gut zwei Wochen fiel mal der Unterricht aus, da auf dem Schulgelände eine Tanz- und Trommeltruppe aufgetreten ist. Die Freiwilligen auf der „Special Need School“ (eine Schule auf unserem Gelände, auf der geistig und körperlich behinderte Kinder betreut und unterrichtet werden) hatten ihren letzten Tag und somit einen „schönen“ Tag organisiert. Ich kann es ja nicht anders sagen: Die Ghanaer haben es einfach drauf, wenn es darum geht, mit ihrem Trommeln und Tänzen gute Laune zu verbreiten. Und wie die sich bewegen können! Und zwar jeder Einzelne, selbst wenn ich neben den Kindern „tanze“ sehe ich wahrscheinlich echt dämlich aus. Das Tanzen haben die Einheimischen eindeutig im Blut. Die Kinder freuen sich auch immer wieder, wenn sie Musik hören und fangen sofort an sich in Bewegung zu setzen. :-)


Momentan planen Sassi, Kiki und ich ein weiteres Projekt für die Schulen auf dem Gelände, was sich später die „Culture-Group“ nennen soll. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Kindern, die durch die Unterstützung von professionellen Lehrern nach der Schule tanzen und trommeln lernen und gemeinsam die Zeit genießen. Sogenannte  „Culture Groups“ gibt es in Cape Coast mehrere. Dabei wird in einer kleinen Gruppe getrommelt und zu den Trommeln-Rhythmen werden Choreographien eingeübt. Ich verstehe zwar nicht, wie sich die Menschen hier diese teilweise 30-Minuten langen Choreographien merken können, aber ich sag ja: Musik liegt ihnen halt einfach. Und so eine Culture-Group wollen wir eben auch aufbauen. Falls dann alles so klappt, wie wir uns das vorgestellt haben, werden wir mit dieser Gruppe Ausflüge planen und beispielsweise Kinder in Waisenhäusern besuchen, um mit ihnen gemeinsam Zeit zu verbringen und Spaß zu haben.  Aber dazu dann später noch mehr, denn wir wollen für diese Culture-Group noch einen eigenen Blog erstellen. Link gibt es in einigen Tagen. :-)  Außerdem fahren Kiki und ich nächsten Mittwoch endlich nach Accra, um in einem Sportgeschäft einige Materialien für den Sportunterricht, wie z.B. Seile, Reifen, Leibchen, Hütchen, Frisbees und weitere Bälle zu besorgen, um den Unterricht etwas spannender gestalten zu können. Dann macht es uns sicherlich auch noch mehr Spaß und wir haben die Möglichkeit, viel mehr den Kindern zeigen und beibringen zu können.

Letztes Wochenende haben wir uns mal das „Cape Coast Castle“ angeschaut. Bei diesem Castle handelt es sich um eine Burg, in der die Sklaven damals unter schrecklichen Bedingungen untergekommen sind bzw. gefangen gehalten und gefoltert wurden. Am Ende der Führung hat uns unser „Tour-Guide“ noch dazu aufgefordert, unsere Augen offen zu halten und immer zu versuchen, das Mögliche zu tun, um Sklavenarbeit, die teilweise (meist versteckt) noch vorhanden ist, zu „bekämpfen“. Immer wieder schrecklich, so etwas zu hören.. Als ich das meiner Lehrerin erzählt habe, hat sie mich direkt gefragt, ob ich geweint hätte. Sie hat dann zugegeben, dass sie damals, nach der Tour durch das Castle geweint hätte. Ich sag ja: total mitfühlsam diese Ghanaer!


Nach der Tour durch das Castle haben wir Mädels uns dann mal eine Shoppingtour gegönnt. Sonntags ist nämlich Klamottenmarkt, und zwar vom feinsten! Ich habe zwar lediglich eine Sporthose ergattert (für umgerechnet ca. 80 Cent), doch die Anderen waren sehr erfolgreich und haben für wenig Geld viele schöne neue Sachen ergattern können. Ganz wunderbar shoppen gehen können: und schon wieder ein Punkt mehr für dieses Land! :-)

                                  Ausblick aus dem Tela Vive, einer wunderbaren Strandbar :-)

Vorgestern war übrigens auch noch so ein ganz besonderer Tag: Zum einen hatte mein Papa Geburtstag (auf diesem Wege auch nochmal alles Gute nachträglich, liebster Papa :-) ) und zum anderen haben wir den Morgen mal ganz anders verbracht: Wir hatten seit ca. 1 Woche kein fließendes Wasser mehr und leider haben wir einen Wasserhahn komplett aufgedreht gelassen und vergessen, ihn wieder zuzudrehen. In der Nacht kam das Wasser dann überraschenderweise wieder und hat schließlich das Bad und den nebenstehenden Raum unter Wasser gesetzt. Ich konnte es in meinem müden Zustand erst gar nicht glauben, aber wir hatten tatsächlich unseren eigenen Pool im Haus, davon habe ich schon immer geträumt.. Das Wasser mussten wir dann aber doch wieder rausschöpfen.. Zu Viert und mit mehreren Eimern ging das dann auch recht schnell , eine Lehre war uns das trotzdem. Wer hätte gedacht, dass wir irgendwann mal ZU VIEL Wasser haben werden… Als wir dann eine Stunde später in die Schule kamen meinten unsere Lehrer, als wir uns entschuldigt haben, dass wir doch total pünktlich seien. An dieses Land kann ich mich gut gewöhnen! :-P

                                               die Aktion "Wasser aus dem Zimmer befördern"

Momentan denke ich oft daran, wie es sein wird, wenn ich zurück nach Deutschland komme.. Wie es sein wird, wenn ich durch diese eine Tür am Flughafen gehe und zum ersten Mal wieder in die Gesichter meiner Familie blicken kann. Ich scheine langsam zu verstehen, dass ich eine lange Zeit in Ghana verbringen werde. Ich bin schon gespannt, wann ich das erste Mal so richtig Heimweh bekomme.

Zum Schluss möchte ich noch eine etwas traurige Geschichte erzählen, die ich dennoch mit euch teilen möchte. Es handelt sich um ein Mädchen, ihr Name ist Helen und sie ist 12 Jahre alt. Helen ist HIV-Positiv und leidet daher an Symptomen wie Kurzatmigkeit. Eines Tages war es so schlimm, dass Marcel und Marlies mit Helen ins Krankenhaus gefahren sind (ich kannte sie nie persönlich). In diesem Krankenhaus konnte man ihr nicht weiterhelfen, deswegen hatten Marlies und Marcel ihr versprochen, nächste Woche mit ihr in eine Privatklinik zu fahren, in der sie sämtliche Check-Ups machen können, um sie mit Hilfe von Medikamenten unterstützen zu können. Doch in das Krankenhaus konnten sie nicht mehr fahren, denn Helen ist an dem folgenden Wochenende verstorben. Diese Geschichte hat mich ziemlich berührt und mitgenommen. Diese Einzelschicksale, die ich hier hautnah miterlebe , zeigen mir, dass ich mich beispielsweise viel zu selten mit dem Thema Aids auseinander gesetzt hab. Es existiert ein „Welt-Aids-Tag“, aber nehmen den wirklich so viele unter uns wahr? Noch so ein Einzelfall: Letzte Woche kam eine Schülerin, die eine Woche gefehlt hat, wieder in den Unterricht. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, denn sie sah dermaßen schlecht aus und war wirklich sehr abgemagert. Ihre Lehrerin hat sie dann schließlich in ein Krankenhaus geschickt (ihre Eltern hatten kein Geld dafür und das haben sie von den Lehrern dann bekommen). Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen und hoffe jeden Tag mehr, sie endlich wiederzusehen. Manchmal macht mich so etwas sauer, oft gehen die Eltern mit ihren Kindern nicht ins Krankenhaus, weil einfach das Geld fehlt. In Deutschland ist so etwas unvorstellbar und trotzdem schätzen wir viel zu wenig, dass wir gesund sind und wenn wir krank werden, haben wir ein wunderbares Gesundheitssystem, Ärzte und Krankenhäuser, die uns wieder auf die Beine stellen. Ich habe meine Gesundheit auf jeden Fall schon sehr zu schätzen gelernt.

So, das war´s erst mal wieder. Die Neuigkeiten zu der Culture-Group folgen in wenigen Tagen.

Bis dahin fühlt euch gedrückt,

eure Alina

26.11.


Vom Warmduscher zum Kaltduscher, vom Langschläfer zum Frühaufsteher

Meine Lieben,
es ist mal wieder viel passiert, die Zeit vergeht und vergeht und ich komme manchmal gar nicht mehr hinterher, habe ich das Gefühl.. Wir haben hier schon wieder so viel erlebt. Es wird auf jeden Fall nie langweilig, das steht schon mal fest! :-)
Vor zwei Wochen haben wir am Samstag-Abend zu uns eingeladen – wie Ida (die Lehrerin der dritten Klasse) sagen würde: „You people like party and enjoying a lot!“ Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Dresscode dieses Mal: Pyjama! Es handelte sich also um eine entspannte und gemütliche Feierei, die wir mal wieder mit einigen Freunden genießen konnten.


Letzten Mittwoch waren Kiki und ich in Accra um Bälle und ein Volleyballnetz für unseren Sportunterricht zu kaufen. Obwohl die Stadt überfüllt war von Menschen, Autos, Bussen, Marktständen uvm. und ein Verkehrschaos herrscht, wie man es vorher noch  nie gesehen hat, hat mich diese Stadt in ihren Bann gezogen. Man wird alle 2 Min. an dem Arm gezogen und noch viel mehr angesprochen als hier in Cape, trotzdem war es irgendwie entspannt und nochmal etwas ganz anderes. Diese Stadt hat einfach was.  Immer wieder habe ich mir gesagt: Hier bist du also aufgewachsen (obwohl das natürlich nicht zwischen all den Marktständen geschehen ist :-P )?! Komisches Gefühl. Wir waren allerdings die meiste Zeit des Tages im Bus oder haben nach einem bestimmten Laden gesucht. Daher war es echt anstrengend, aber schön. Das Beste kam dieses Mal allerdings am Anfang: Als wir in den Metro-Bus nach Accra einstiegen, konnte man neben den Gespräche viele Gebete und Gesänge entnehmen. Ich kam mir vor wie in einem falschen Film: Begebe ich mich tatsächlich in eine so große Gefahr?! Es stimmt zwar, dass auf der Strecke einige Unfälle passieren und bei jedem starken Bremsen sind alle Menschen hochgeschreckt, allerdings passieren die meisten Unfälle in Trotros, wie ich zum Schluss erfahren habe. Auch mal eine Erfahrung, all diese Menschen in so einer Situation beten und singen zu hören.
Wie bereits erwähnt gibt es eine „Special Need School“ auf unserem Schulgelände, in der psychisch und körperlich behinderte Menschen beschäftigt und unterrichtet werden. Auf dieser Schule arbeitet außerdem eine mittlerweile gute Freundin von uns. Vor einigen Tagen kam diese zu uns und hat uns selbst gemachte Perlenarmbänder und Fußkettchen, die die Kinder für uns gemacht haben, geschenkt. Einfach viel zu süß :-) Übrigens: Fußkettchen erwecken in dieser Kultur oft den Anschein, man sei „leicht zu haben“ / nicht sehr wählerisch (doch nicht selbstgemachte Perlen-Fußkettchen, wie uns unsere Freundin beruhigt hat :-P). Daran merkt man mal, dass es immer wieder kulturelle Eigenheiten gibt, die man von Zeit zu Zeit dazu lernt und diese dann auch im Umgang mit den Menschen beherzigen kann.
Letzten Freitag haben wir (Kiki, Sassi und ich) an einem Schulausflug teilgenommen. Unsere Reise führte uns in den Kakum National Park, nicht weit entfernt von Cape. Das war vielleicht ein Erlebnis, das sag ich euch. In diesem National Park kann man nach einigem Treppensteigen einen wunderschönen Ausblick mitten im Grün genießen. Diesen Ausblick konnte ich dagegen leider nicht so ganz genießen, da wir über Hängebrücken gingen, ohne Befestigungen, alles am wackeln, in einer unglaublichen Höhe. Ich wusste es bis zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, aber ich habe ja SO EINE VERDAMMTE Höhenangst! Meine Beine haben den ganzen Tag noch Pudding geähnelt. Wenn dann auch noch die Kinder über diese Hängebrücken gerannt sind, wurde es natürlich noch schlimmer. Ich kann mich noch genau an einen Moment in meinem Leben erinnern, als ich als kleines Kind auch über eine derartige Brücke gerannt bin, meinen Spaß hatte und meine liebste Mama vor Angst fast gestorben wäre. Jetzt kann ich dich verstehen! ;-) Sassi hatte an dem Tag auch ihren Spaß, da es schon immer ein Traum von ihr war, über eine Hängebrücke in so einer Höhe zu gehen. Muss ein schönes Bild gegeben haben: Saskia überglücklich, ich unterdrücke meine Tränen. :-P Anschließend ging es in die „Water Company of Ghana“, in der Ghanas Trinkwasser hergestellt wird. Auch sehr interessant und gelegen in einer wunderschönen Landschaft!
                                         auf dem Weg nach oben, da war ich noch ganz gelassen :-P

                                                     die ersten und schlimmsten Schritte




Gruppenfoto :-)

Water Company of Ghana


Momentan beschäftigt mich ein wieder etwas traurigeres Thema ganz besonders und da es mich nicht loslässt, möchte ich euch davon berichten, denn auch das gehört zu meinem jetzigen Leben dazu. Wie bereits angesprochen kam vor einigen Wochen ein Mädchen aus „meiner“ dritten Klasse in den Unterricht (ihr Name ist Michealina), nachdem sie eine Woche krank zu Hause verbracht hat. Ida und ich waren völlig schockiert: sie hatte dermaßen an Gewicht verloren und sah wirklich nicht gesund aus, eine sehr warme Stirn hatte sie auch noch. Ida hatte sie dann gefragt, was sie hätte, worauf das Mädchen antwortete, dass sie nicht beim Arzt war und es daher nicht weiß. Ida wurde sofort sauer: Warum hat sich die Mutter nicht sofort auf den Weg gemacht, um mit ihrer Tochter zum Arzt zu fahren?! Um persönlich mit ihr reden zu können, hat sie schließlich Michealina gebeten, am nächsten Tag mit ihrer Mutter zur Schule zu kommen. Als die Mutter am nächsten Tag kam, war sofort klar, dass sie alles andere als eine schlechte Mutter war. Sie hatte Tränen in den Augen und hat zugegeben, dass sie einfach kein Geld hat, um mit Michealina ins Krankenhaus zu gehen. Ida hat ihr schließlich Geld gegeben, damit sie sofort mit ihrer Tochter ins Krankenhaus fahren kann. Anschließend haben wir das Mädchen ca. 10 Tage nicht gesehen. Schließlich kam ihre Mutter eines Morgens in den Klassenraum, sehr stark am Weinen, sie sah echt unglücklich aus. Ich hätte auf der Stelle mitweinen können und habe die ganze Zeit nur gedacht „Bitte lass dieses Mädchen noch am Leben sein“ und zum Glück: Sie ist noch am Leben. Sie war wiedergekommen, um nach mehr Geld zu fragen, was ihr wirklich unangenehm war. Michealinas Situation war nicht besser geworden, ganz im Gegenteil. Da sie nicht mehr Geld hatte, kümmerte man sich im Krankenhaus gar nicht mehr um sie. Ida ging sie am nächsten Tag besuchen, um sich selbst ein Bild von der Situation machen zu können und kam am nächsten Morgen ziemlich schockiert in die Schule. Tatsächlich sei Michealina schwer krank und muss dringend einer Operation unterzogen werden, für die Ida noch am selben Tag Geld von allen Lehrern einsammelte. Es kamen 500 Cedi zusammen (ca. 210-220 Euro) und die Operation konnte am nächsten Tag durchgeführt werden. Ihr Leben wurde im letzten Moment gerettet, einen Tag länger und es hätte womöglich ganz anders ausgesehen. Am Tag nach der OP haben wir, Sassi und ich, uns auf dem Weg ins Krankenhaus gemacht, um Michealina zu besuchen. Da wir nicht wussten, was uns erwartet, waren wir umso schockierter. Michealina lag regungslos auf einem Bett in einem Raum mit anderen kranken Kindern. Sie atmete schwer, ihr Bauch war aufgebläht, während sie ansonsten total dünn geworden war. Die Mutter saß müde auf einem Stuhl neben dem Bett. Ich hab sie kaum wiedererkannt und dennoch war ich andererseits überglücklich, sie sehen zu können, nachdem ich ein paar Tage zuvor für einen Moment dachte, sie sei gestorben. Ich habe die ganze Zeit ihre Hand gehalten und sie konnte tatsächlich für einen kurzen Moment lächeln. Mich hat das alles dennoch ziemlich getroffen, weswegen ich meine Tränen nicht unterdrücken konnte. Daraufhin weinten ihre Mutter und Michealina selbst auch. Ida, eine andere Lehrerin und meine Schulleiterin Madame Joyce fingen schließlich am Bett an, für sie zu beten und zu singen. Ich hielt Michealinas Hand, Sassi hielt meine andere Hand, diesen Moment werde ich wohl nie mehr in meinem Leben vergessen. Einerseits war ich an diesen Tagen sehr aufgewühlt, andererseits war ich auch die Tage danach einfach total sauer. Während dieses Mädchen, das ein Recht auf ein schönes Leben wie jeder andere Mensch auch, beinahe gestorben wäre, weil schlichtweg das Geld gefehlt hat, überlegen sich am anderen Ende der Welt Menschen, die bereits im Besitz von einem Iphone 4 sind, ob sie sich das Iphone 5 zulegen sollen, nur um im Besitz des neusten und besten Handy zu sein. Ziemlich traurig. Michealina geht es glücklicherweise schon deutlich besser und kann wahrscheinlich in einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen werden. :-)

Ich muss sagen, dass ich gerade an solchen Tagen umso glücklicher darüber bin, Sassi an meiner Seite zu haben. Sie war in dem Moment für mich da, hat ihre Trauer und ihren Schock unterdrückt, um mich aufbauen zu können und hat stets versucht, für mich stark zu sein. Sie ist einfach eine wunderbare Freundin, ohne die ich die ganze Situation nicht so hätte bewältigen können. Ich bin ihr unendlich dankbar für jeden Moment, in dem sie für mich da ist, in dem wir zusammen lachen können, sodass uns anschließend unsere Bäuche weh tun, in dem ich beruhigt neben ihr einschlafen kann, in dem ich mit ihr über alles reden kann, was mir auf dem Herzen liegt. Sie kennt mich wahrscheinlich bereits besser als viele meiner Freunde, weil ich ihr einfach alles anvertrauen kann. Ich bin einfach froh, dass wir uns gefunden haben und daher werde ich sie auch nie mehr hergeben. Sassi: DANKE! <3  Es ist schließlich auch ein Zeichen, dass ich dich im Schlaf umarmt habe! :-P

                                                              Zwei Ghana-Sisters auf Reisen

Wahnsinn, nächsten Samstag wird mein kleiner, großer Bruder tatsächlich schon 18 und in weniger als einem Monat ist Weihnachten. Ich kann es gar nicht fassen, vergeht die Zeit in Deutschland etwa auch so schnell?! Ende Dezember kommt uns übrigens Marcels Schwester besuchen, auf die wir uns alle schon sehr freuen. Es ist wirklich schön, jemandem zeigen zu können, wie und wo man ein Jahr lang gelebt hat. Also falls ihr schon immer mal nach Ghana wolltet oder mich einfach nur besuchen wollt: die Unterkunft könnte ich euch anbieten! :-) Ich freue mich über jeden Besuch! ;-)

Bis dahin, genießt die Adventszeit, jeden Glühwein, den ihr auf dem Weihnachtsmarkt ergattern könnt und hoffentlich bald den Schnee. Hier wird es immer wärmer und wärmer, man merkt, dass die Trockenzeit angefangen hat.

Fühlt euch ein weiteres Mal umarmt, eure Alina


1 Kommentar:

  1. Liebe Alina:-), heute bist Du schon 3 Monate in Ghana!:-) "An Tagen wie diesen", Joshi`s Geburtstag, fehlst Du uns ganz besonders! Dein Video für ihn war der Hammer, das hast Du supertoll gemacht!!
    Obwohl wir Dich sehr vermissen,freuen wir uns immer wieder mit Dir und für Dich über all die tollen Erlebnisse und Erfahrungen, die Du sammelst und auch darüber, dass Du den weniger schönen Eindrücken noch eine positive Seite für Dich abgewinnen kannst.
    In Liebe, Deine Mama mit einem dicken "Adventzeitkuss":-)

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